Die letzten drei Notthafft-Exkursionen fanden
in Bayern bzw. Böhmen statt und waren unvergessliche Tage für alle Freude,
die daran teilgenommen hatten. In diesem Jahr nun haben wir uns mal ins
benachbarte Württemberg getraut, denn dort, gab es auch Nothafte bis 1687.
Unsere Experten Maria Heitland und Harald Stark sowie Baron Hartmann
von Bechtoldsheim und Herbert Maurer haben bereits im März dieses Jahres
die Fahrt so gründlich vorbereitet, daß wir uns in Schwaben nur noch
verwöhnen lassen brauchten. Umsomehr als wir das Glück hatten, daß der
Schwager von Norbert Reger, Josef Sticht, seit Jahrzehnten in Hochberg am
Neckar wohnt und uns nicht nur die Busfahrt organisierte sondern auch die
besten Gaststätten für uns reservierte.
Freitag
31. Mai
Eigentlich war es vorgesehen, daß sich die
Exkursionsteilnehmer am Stuttgarter Hauptbahnhof vom Bus abholen lassen.
Fünf von uns warteten aber bereits in Hochberg auf den bestellten Bus, der
uns jedoch vollkommen vergessen hatte und geradewegs nach Stuttgart
gefahren wäre, wenn nicht Herr Sticht per Handy das Busunternehmen an die
in Hochberg Wartenden erinnert hätte. So kamen wir noch gerade
rechtzeitig, um die anderen Freunde in Stuttgart am Bahnhof abzuholen
|
Grabstein des Reinhart v. Kaltenthal (+
1580) und seiner Frau Anna Maria, geb. Nothaft v. Hohenberg (+ 1607)
| und einigermaßen pünktlich zum
Mittagessen im "Schiff" in Aldingen einzutreffen. Nach dem Mahl
begaben wir uns zunächst in die St. Margarethenkirche in Aldingen, wo wir
viele alte Sandsteingrabmäler bestaunen konnten. Auf den meisten war das
Wappen der Kaltenthaler zu sehen, doch auch zwei Damen aus der Familie der
Nothaft von Hochberg liegen hier begraben. Danach steuerte uns unser
Busfahrer bravourös durch die engen Gassen zum Aldinger Schloss, das heute
die Gemeindeverwaltung beherbergt. Über dem Portal waren wieder die
Hirschstangen der Kaltenthaler zu sehen und im Eingang machten wir uns
Gedanken, aus welchem Holz wohl die alte Treppe gezimmert war. Schade daß
Norbert Reger erst am folgenden Tag zu uns stoßen konnte, denn er als
Förster hätte uns bestimmt darüber Aufschluß geben können. Ganz
entgegen unseres sonstigen Gebahrens erreichten wir unser nächstes Ziel,
|
Blick in den Chor von St. Veit in Mühlhausen
| die Veits-Kirche im Stuttgarter
Ortsteil Mühlhausen gut eine halbe Stunde zu früh. Die Pfarrerin, die
eigentlich Urlaub hatte und mit den verfrühten Gästen nicht gerechnet
hatte, sperrte uns trotzdem die Kirche auf und begann schon mal mit der
Erläuterung des Schnitzaltars im Chor. Die St.-Veits-Kirche ist ein
Stiftung des Prager Bürgers Reinhard von Mühlhausen, der zusammen mit
seinem Bruder Eberhard nach Böhmen an den Hof Kaiser Karls IV. gezogen
war. Dort waren die beiden besonders in Finanzgeschäften des Kaisers tätig
und brachten es zu Reichtum und Macht. So bezog etwa Reinhard von
Mühlhausen 1385 Einkünfte aus 15 Häusern in Prag. Mit dem Bau der
St.-Veits-Kirche in Mühlhausen war 1380 begonnen worden. 1385 stiftete
Reinhard von Mühlhausen einen gemalten Altar aus der damals führenden
Prager Werkstatt des Meisters Theoderich für seine Kirche in Mühlhausen,
dieser wurde 1510 durch den heutigen Schnitzaltar ersetzt und befindet
sich heute als besonderes Prunkstück in der Staatsgalerie Stuttgart.
|
Bilder aus dem Veits-Zyklus von 1428
| Zwischenzeitlich war auch der
eigentlich für uns bestellte Führer, Herr Straub, erschienen und erklärte
uns die alle Wände des Kircheninneren auschmückenden Wandmalereien. Die im
frühen 15. Jahrhundert entstandenen Fresken im Kirchenschiff zeigen in
zwei Reihen übereinander Szenen aus dem Alten und Neuen Testament. Der
wichtigste Bilderzyklus findet sich aber an den Wänden des Chorraumes: Die
1428 datieren Bilder aus dem Leben des Heiligen Veit. Von
|
Grabmal für Engelbold (+ 1586) und Maria v.
Kaltenthal | besonderem Interesse für
uns war das Grabdenkmal für den 1586 verstorbenen Engelbold v. Kaltental
und dessen Ehefrau Maria, geb. v. Degernau. Diese waren die Eltern der
Kunigunda v. Kaltental, die sich 1593 mit Georg Wilhelm v. Eyb und in
zweiter Ehe 1613 mit Johann Albrecht Notthafft v. Wernberg verheiratete.
Ihr Grabstein im fernen Zenching hatte bei der Notthafft-Exkursion im Jahr
2000 unsere Aufmerksamkeit erregt, denn mit dieser Eheschließung hatte
Johann Albrecht Notthafft nicht nur Anteile an der Erbschaft des Engelbold
v. Kaltental in Mühlhausen erhalten, sondern auch die Herrschaft Runding
in den Familienbesitz zurückerworben. Die Bemühungen Johann Albrecht
Notthaffts in Mühlhausen wieder die Gegenreformation durchzuführen,
brachten Streitigkeiten mit seinem Schwager Kaspar v. Plato und
beeinflußten wohl auch später das Scheitern der von Graf Johann Heinrich
Notthafft v. Wernberg propagierten Erbeinigung seiner Familie mit den
Nothaft von Hohenberg. Später übergab Johann Albrecht Notthafft seinen
Anteil an Mühlhausen seiner Stieftochter Maria Magdalena v. Eyb und deren
Ehemann Georg Stephan v. Closen. So kommt es, daß die bayerische Familie
v. Closen bis 1721 im Besitz von Mühlhausen war. Ein Portrait der Maria
Magdalena v. Eyb hängt noch heute in der Veitskirche. Am späten
Nachmittag stand dann noch ein Besuch im Ludwigsburger Ortsteil Oßweil auf
dem Programm, wo wir zunächst dem Schloß einen Besuch abstatteten. Oßweil
stand in mehrfacher Beziehung zu den schwäbischen Nothaften. Die Ehefrau
|
Schloß Oßweil
| des im Jahr 1300 genannten Stammvater
der Familie, Werner I. Nothaft, war Agnes v. Oßweil. Andererseits erwarb
Johann Erasmus Nothaft von Hohenberg 1621 das Schloß Oßweil, konnte es
aber in Folge der immensen Verluste, die er durch die Wirren des
Dreißigjährigen Krieges erlitt, nicht halten. In der 1491 neu erbauten
Kirche St. Januarius mit ihrem wunderschön gewölbten Chorraum aber sonst
recht nüchternem Inneren, haben sich Reste des ehemaligen spätgotischen
Lettners erhalten. Neben dem noch erhaltenen farbigen Wappenstein des
Heinrich von Kaltental ist vom ehemaligen Lettner auch noch die Inschrift
"A[nn]o 1504 Daniel Nothaft" überliefert; dieser war damals Schutzherr der
"Unser-Frauen-Pfründe" zu Oßweil und hatte wohl deswegen seinen Teil an
der Verschönerung des Gotteshauses beigetragen. Nach dem Besuch der Kirche
statteten wir noch der Holderburg, einem weiteren Adelssitz im Ort, der
allerdings nichts mit den Nothaften zu tun hatte, einen Besuch ab. Das
sehr romantisch aussehende Gebäude zog vor allem die Fotografen unter uns
in ihrem Bann und plötzlich war Baron von Bechtolsheim verschwunden. Seine
Frau machte sich auf die Suche nach ihm und ging auf dem gleichen Weg, den
wir gekommen waren, zurück zum Bus, während das Gros eine andere Route
einschlug. Wir waren alle sehr erleichtert, als wir beide am Bus
wiederfanden. Gegen 19.00 Uhr kamen wir dann nach Beihigen zum Gasthof
"Rößle", wo wir unsere Quartiere bezogen. Nachdem das wegen seiner
Maultaschen berühmte Restaurant im Hause am Freitag Ruhetag hatte, zogen
wir in den benachbarten "Kuhstall", wo wir mit hervorragender
italienischer Pasta verwöhnt wurden.
Samstag 1.
Juni
|
Blick in die St.-Amandus-Kirche zu Beihingen
| Nach dem Frühstück ging es zu Fuß am
gerade eingerüsteten alten Beihinger Rathaus vorbei, über steile Treppen
empor zur Beihinger St.-Amandus-Kirche. Dort empfingen uns gleich am
"Emporen-Anbau" die offenen Flüge des schwäbischen Nothaft-Wappen; die
darunter angebrachte lateinische Inschrift erinnert daran, daß der Mainzer
Kanoniker Peter Nothaft im Jahr 1500 eine Kapelle an das Gotteshaus hatte
anfügen lassen. Gleich daneben aber erfährt man auf einer zweiten
Inschrifttafel, daß es sich hierbei nicht um den Emporen-Anbau handelt, da
dieser erst 1620 errichtet wurde.
|
Grabmal für Werner VI. Nothaft (+ 1492)
| Das Innere der Kirche besticht durch
seine doppelstöckigen, mit biblischen Szenen bemalten Emporen, den flächig
erhaltenen Wandmalereien aus dem 16. – 18. Jahrhundert, dem im Turmchor
stehenden Orgelprospekt aus dem Jahr 1766 und nicht zuletzt durch die
zahlreich erhalten gebliebenen Grabdenkmäler des Ortsadels. Unter diesen
befinden sich auch die Grabmäler für den 1467 verstorbenen Bernhard I.
Nothaft und den 1492 verstorbenen Werner VI. Nothaft. Auf dem Grabstein
des Letztern findet sich unten rechts ein interessantes Wappen, zu dem
Frau Heitland einiges zu berichten hatte. Es handelt sich dabei um das
Phantasiewappen der aus bürgerlichem Stand stammenden Enlin Schieberin;
nach Gabelkofer zeigt es "drey Wiselin in der straß". Sie war in zweiter
Ehe mit Endriß von Weiler verheiratet und die Großmutter von Werner VI.
Nothaft. Nach Gabelkofers Bericht, ließ sich Werners Bruder Peter III.,
dessen Wappen am Emporenanbau der Beihinger Kirche bereits erwähnt wurde,
1473 als Domherr in Mainz aufschwören, dabei bewiesen 7 Standesgenossen,
daß sein Vater ein
|
Hofansicht des Fachwerkbaus im Alten Schloß
| Nothaft, seine Mutter eine v. Weyler
und des Vaters Mutter eine v. Urbach gewesen sei. Den Namen der
mütterlichen Großmutter aber fand Gabelkofer unleserlich! Am Hang,
gegenüber der auf einem Bergsporn gelegenen Amandus-Kirche, liegt das Alte
Schloß. Dieses war schon im frühen 14. Jahrhundert von den verschwägerten
Oßweilern an die Nothaft übergegangen. Im Grundriß des Schlosses zeichnet
sich im Nordwesten ein unsprünglicher Wohnturm ab, dessen Bogenfries im
Giebelbereich vielleicht sogar noch in die romanische Epoche weist. Der
südlich, jenseits des schmalen Burghofs errichtete große Fachwerkbau soll
um 1480 unter den Nothaften entstanden sein. Heimeran Nothaft veräußerte
seinen Beihinger Besitz 1532 an seinen Schwager Ludwig v. Freiberg und zog
nach Kleiningersheim. Heute ist das Alte Schloß im Besitz der Gemeinde.
|
Portal des Neuen Schlosses mit dem
Allianzwappen Breitenbach - Freiberg
| Das dem Alten Schloß gegenüber
gelegene Neue Schloß Beihingen wurde 1573 von Ludwig v. Freibergs
Schwiegersohn Friedrich v. Breitenbach erbaut. Der Schloßbesitzer Hans
Jörg v. Graevenitz hatte uns einen Blick ins Erdgeschoß gestattet, wo
mehrere Wappensteine von den ehemaligen Schloßtoren in der Wand
eingelassen sind. Im geräumigen Hausflur mit seiner aus der Bauzeit
stammenden Balkendecke entdeckten wir auf einem dort stehenden Schrank ein
Wappen mit zwei offenen Adlerflügen und dachten schon, ein nothaftisches
Möbelstück vor uns zu haben. Doch machte uns unser "Hofheraldiker" Norbert
Sack diese Illusion schnell zu nichte, da sich auf dem Wappenschild die
falsche Helmzier befand. Er identifizierte das Wappen mit den Adlerflügeln
als das der Herren v. Hallweil; auf der anderen Schranktür befindet sich
das Wappen der Göler von Ravensberg.
|
Der untere Schloßhof in Kleiningersheim
| In Kleiningersheim wurden wir von der
Schloßherrin, Frau Leibrecht, empfangen. Die mittelalterliche Burg
Kleiningersheim, von der vor allem noch der Bergfried (Wohnturm) und die
um den "oberen" Schloßhof situierten Gebäude (zumindest im Kern) erhalten
geblieben sind, wurde in den Jahren nach 1576 durch Kaspar Nothaft von
Hohenberg großzügig erweitert. Unter ihm entstand der "untere" Schloßhof
mit seinen ballustergeschmückten, hölzernen Laubengängen im Obergeschoß.
Hier erinnert auch noch ein 1582 datierter Wappenstein sowie eine
Bauinschrift an seine Bautätigkeit. Unsere Gastgeberin führte uns vom
unteren Schloßhof zunächst in den inmitten von Weinbergen hoch über dem
Neckartal gelegenen Schloßgarten, wo wir die herrliche Aussicht genossen
und uns zu einem Gruppenfoto aufstellten.
|
Gartenansicht von Schloß Kleiningersheim
| Sein heutiges Aussehen mit runden
Eckerkern und Zwerchgiebeln im Stil der Neorenaissance sowie einem über
quadratischem Grundriß erbauten "neuen" Bergfried erhielt das Schloß in
den Jahren 1911/12. Carl v. Ostertag-Siegle, der Schwiegersohn des
Geheimen Kommerzienrates Gustav v. Siegle, der einige Jahre vorher den
ehemaligen Besitz der Familie v. Notthafft im Steinwald erworben hatte,
hatte Schloß Kleiningersheim gekauft. Er ließ das Gebäude im Geist der
Burgenromantik umgestalten. Der Ingersheimer Umbau, den das Stuttgarter
Architekturbüro Eitel & Steigleder leitete, ist gekennzeichnet von dem
in dieser Zeit wieder geschätzten Bewahren der alten Bausubstanz. Kein
völliger Neubau wurde angestrebt, sondern nur gezielte Akzente gesetzt,
die den Charakter des alten Bauwerks als Schloß betonen sollten. 1963
erwarb Prof. Dr. Walter Leibrecht das Schloß und richtete darin eine
private Hochschule ein. Das Schiller College, später nach der staatlichen
Anerkennung (USA) Schiller International University, bietet an 8
Standorten in 6 Ländern eine Reihe von international ausgerichteten
Studiengängen bis zum Master-Abschluß und wird von Studierenden aus aller
Welt besucht. Heute wird das denkmalgerecht renovierte Schloß von der
Familie Leibrecht bewohnt und für Verwaltungsbüros der Hochschule genutzt.
|
Im um 1700 barock gestalteten Laubengang
| Dem Gartenrundgang folgte eine
ausgiebige Besichtigung des stilvoll eingerichteten Schlosses. Besonders
der freie Blick durch die Glasfenster der Laubengänge in den unteren
Schloßhof sorgte bei herrlichem Sonnenschein für eine "burgenromantische"
Stimmung und der klare Blick aus den Fenstern des von Caspar Nothaft
erbauten Schloßfügels über das weite Neckartal, ließ die besonders
reizvolle Lage des Schlosses erkennen. Im großen Saal, der sich im
"Altbau" des Schlosses befindet, wurden wir dann noch trefflich mit
Erfrischungsgetränken bewirtet. Hier gab es auch zwei vom Schloßherrn
Thomas Leibrecht gebaute Papiermodelle des Schlosses zu Besichtigen, die
dessen Zustand vor und nach dem Umbau von 1911/12 präsentieren. Nachdem
uns Frau Heitland an die fortgeschrittene Zeit erinnert hatte,
entschlossen wir uns zum Aufbruch. Zuvor aber bedankten wir uns bei Frau
Leibrecht für den herzlichen Empfang, den sie uns im Schloß
Kleiningersheim bereitet hatte.
|
Die Kapelle auf Burg Lichtenberg
| Als nächstes stand das Mittagsmahl in
Oberstenfeld auf dem Programm, wo Norbert Hönick, die Regers sowie Herr
und Frau Sticht auf uns warteten. Es gab feine schwäbische Gerichte und
angeregte Gespräche und die Zeit verging im Flug, so daß Harald Stark bald
auf den nächsten Termin hinweisen mußte. So kamen wir gerade noch
rechtzeitig zur Burg Lichtenberg, die wir nach kurzem Fußmarsch vom nahe
gelegenen Parkplatz aus erreichten. Baron von Weiler und seine Gemahlin
waren beim Grafen Zeppelin zur Hochzeit eingeladen, hatten aber unser
Kommen den Pächtern der Gastronomie angekündigt, die gerade mit den
Vorbereitungen zu einer anderen Hochzeitsfeier voll beschäftigt waren. So
bestiegen wir den auf quadratischem Grundriß aus Buckelquadern errichteten
staufischen Bergfried und nahmen die Burgkapelle mit ihren teilweise noch
aus dem 13. Jahrhundert stammenden Wandmalereien unter die Lupe. Danach
wurden wir zu einem Glas Wein eingeladen und setzten uns in den von
mächtigen Bäumen beschatteten Teil des Burghofes. Gerade als wir
aufbrechen wollten, kamen Herr und Frau von Weiler herein und wir freuten
uns sehr, daß die Schloßherren uns noch persönlich begrüßen konnten. Auch
hier bedankten wir uns für die freundliche Aufnahme in den Burgmauern und
strebten dann unserem nächsten Ziel, der romanischen Stiftskirche
Oberstenfeld zu.
|
In der Stiftskirche Oberstenfeld
| Hier war Herr Schedler, den wir für
die Führung hatten gewinnen konnten, zunächst einmal sehr erfreut und
erstaunt zu gleich, als er uns kommen sah. Man hatte ihm nämlich
mitgeteilt, daß die Führung ausfallen würde, da Frau Heitland verunglückt
sei! Glücklicherweise war er dennoch gekommen und wir waren alle heilfroh,
daß es sich bei dieser Nachricht um eine "Ente" gehandelt hatte. Nachdem
wir die Kirche von außen in Augenschein genommen hatten, bat uns Herr
Schedler in das Innere und schilderte uns bewegt und anschaulich die
Geschichte des Stiftes Oberstenfeld im Kontext mit der Württembergischen
Landesgeschichte. Die Kirche zählt zu den wichtigsten Monumenten
romanischer Baukunst in Württemberg und wirkt besonders interessant durch
den stufigen Aufbau vom Langhaus, über den auf der Krypta erhöht gelegenen
Chor bis zum Presbyterium im "Turmchor". Ein besonderes Kleinod der Kirche
ist die romanische Krypta. Überall in der Kirche stießen wir auf das
Wappen der Freiherrn von Weiler. In
|
Die Krypta der Stiftskirche
| der Krypta erzählte uns Frau Heitland
dann die Geschichte des Ritters Hans VI. Nothaft von Hohenberg, der den
Grafen Eberhard V. von Württemberg 1468 auf seiner Fahrt ins Heilige Land
begleitet und auf dieser Reise die Zuneigung des Fürsten erworben hatte.
In der Folge bekleidete Hans Nothaft wichtige Ämter am Württemberger Hof
in deren Ausübung er wahrscheinlich auch verschiedene Klöster im Land
besucht hatte. Wohl beim Besuch in einem Kloster in Gmünd lernte er die
Nonne Cäcilie Vetzerin kennen und lieben und bemühte sich daraufhin bei
Graf Eberhard um eine Versetzung derselben in das ihm von der Entfernung
her günstiger gelegene Damenstift Oberstenfeld. So suchte Graf Eberhard im
Stift Oberstenfeld um zwei Pfründen für die beiden Gmünder Nonnen
Margaretha und Cäcilie Vetzer nach. Beide entstammten der im Heidenheimer
Raum begüterten Familie Vetzer von Oggenhausen. Anfangs verweigerte die
Oberstenfelder Äbtissin dem Grafen die Erfüllung seiner Bitte mit dem
Hinweis darauf, daß es sich bei ihrem Stift um ein adeliges Fräuleinstift
handle, daß keine echten Nonnen bei sich aufnehme. Schließlich aber gab
die Äbtissin dem Drängen des Fürsten nach und ab 1478 sind die Schwestern
Vetzer in Oberstenfeld anzutreffen. Hier kam es
|
Grabmal für Hans VI. Nothaft (+ 1507) in der
Kirche zu Hochberg | zu einer innigen
Verbindung zwischen Cäcilia und Hans Nothaft, der sogar Nachkommen
entstammten: Zwei Töchter, nämlich Cäcilia und Anna wurden jung ins
Kloster "gestossen"; eine dritte Tochter heiratete "ganz liederlich",
nämlich einen Hintersassen des Klosters Blaubeuren. Der einzige Sohn, Hans
Eytel, durfte nur "ex gratia et consensu" von Georg Nothaft auf der Burg
Klein-Ingersheim wohnen. Die weitere Bestimmung war, daß nach seinem Tod
der ganze Besitz an Wolf Nothaft fallen sollte. Eine Frage, ob auch Hans'
Sohn, Hans Bernhard, erbberechtigt sei, entfiel, da dieser um 1537 bald
nach seinem Vater starb. Hans VI. Nothaft aber starb in den Armen seiner
geliebten Cäcilia im Juni 1507 im Stift Oberstenfeld und wurde in der
Kirche in Hochberg begraben, wo sein Grabdenkmal noch erhalten ist.
|
Wandmalereien in St. Peter
| Nach der Besichtigung der
Stiftskirche Oberstenfeld besuchten wir noch ein weiteres Kleinod im
Ortsbereich, die Friedhofskirche St. Peter. Trotz gotischer Veränderungen
aus der Zeit um 1400 ist die ursprüngliche Dreikonchenanlage der um 1100
entstandenen Kirche noch gut erkennbar. Im Inneren der Kirche haben sich
Reste von Wandmalereien aus der Zeit um 1300 erhalten. Diese sparen auch
die Vermauerung der romanischen rundbogigen Fenster nicht aus und bei
einer Renovierung im 19. Jahrhundert wurden nicht nur die Wandmalereien
sondern in einer der zugemaurten Fensternischen auch ein romanischer
hölzerner Fensterladen gefunden, der zu den ältesten Zeugnissen seiner Art
in Deutschland gehörte aber leider im Württembergischen Landesmuseum in
Stuttgart dem 2. Weltkrieg zum Opfer fiel. Zuletzt gab uns Herr Schedler
noch eine kleine Läutprobe (per Glockenseil, heute fast überall durch
elektrisches Läuten ersetzt), das die Mesnerin extra erlaubt hatte.
Seinen krönenden Abschluß fand der zweite Exkursionstag bei der
Einkehr in einer Besenwirtschaft in Helfenberg mit sehr zivilen Preisen.
Die dortige Burg – heute eine Ruine – war ebenfalls für kurze Zeit im
Besitz der Schwäbischen Nothaft gewesen. Bei Trollinger, Zwiebelkuchen und
anderen Köstlichkeiten fand der ereignisreiche Tag ein gemütliches Ende.
Sonntag 2. Juni
|
Blick in die Hochberger Kirche
| Der Sonntag-Vormittag war dem
namengebenden Sitz der schwäbischen Nothaft, der Burg Hochberg am Neckar,
heute zur Gemeinde Remseck gehörig, gewidmet. Gegen 9.00 Uhr kamen wir
nach Hochberg und nutzten die halbe Stunde bis zum Beginn des
Gottesdienstes zu einem Besuch der Kirche. Der heutige neugotische Bau aus
dem Jahr 1854 ersetzte eine alte kleinere Chorturmkirche, aus der einige
Grabdenkmäler von Gliedern der Familie Nothaft in die neue Kirche
transferiert worden sind.
|
Das Torhaus von Schloß Hochberg
| Das Schloß Hochberg, das sich seit
1337 in den Händen der Familie Nothaft findet, wurde 1593 im Auftrag von
Wolf Jakob Nothaft durch den herzoglichen Baumeister Heinrich Schickardt
umgebaut und beträchtlich erweitert. Sein heutiges Aussehen erhielt das
Schloß durch eine weitere Aufstockung unter Uriel von Gemmingen und seiner
Ehefrau Ursula Esther, der Tochter des letzten schwäbischen Nothaft, um
1700. Nachdem uns Frau Kosa, die Tochter der Schloßbesitzerin begrüßt
hatte, betraten wir den äußeren Schloßhof durch das 1593 von Schickardt
erbaute Torhaus; ein spitzbogiges Torgewände im Inneren der Torgasse zeigt
aber, daß hier ein älterer Torbau in den Neubau integriert wurde. Deutlich
sind im Eingangsbereich noch die Widerlager für die ehemals vorhandene
Zugbrücke zu sehen. Eine kleine, noch aus der Bauzeit stammende Holztür,
führt auf der Südseite der Torgasse in das ehemalige Kriminalgefängnis.
Leider ist der kleine Raum völlig mit Holzbrettern angefüllt, so daß wir
nicht tiefer eindringen konnten, doch soll es sich um den "Vorraum" zu
einem im Untergeschoß liegenden "Lochgefängnis" handeln.
|
Portalgewände aus bossierten Quadern im
inneren Schloßhof | Früher standen auf
der Nordseite des äußeren Burghofes diverse Wirtschaftsgebäude. Auf einem
Plan im Staatsarchiv Ludwigsburg aus dem Jahr 1812 sind sie noch
eingezeichnet; auf dem 1832 erstellten Katasterplan von Hochberg fehlen
sie bereits. Durch das Tor beim ehemaligen Bandhaus betraten wir dann den
Inneren Burghof. Ein in der Nord-Ostecke dieses Hofes festgestelltes
vermauertes rundbogiges, aus bossierten Quadern bestehendes Türgewände
könnte vielleicht noch der romanischen Stilepoche zugehören. Leider ist
die Pforte durch die Mauer des ehemaligen Pferdestalls halb verdeckt und
auch von innen war an das Gewände bei unserem Besuch leider nicht
heranzukommen. Jedenfalls ist wohl hier der älteste Kern von Schloß
Hochberg zu vermuten. Nach dieser interessanten Entdeckung ging es
dann auf einer durch den Transport schwerer Weinfässer völlig
abgeschliffenen Treppe hinunter in den großen Keller unter Bandhaus und
Scheune. Ein weiterer unter dem – wie oben dargelegt – ältesten
Gebäudetrakt gelegener Keller war mangels Taschenlampen für uns leider
nicht begehbar. Nun ging es zurück in den äußeren Schloßhof, wo wir dann
durch
|
Der Vorraum zum Rittersaal in Schloß
Hochberg | den Treppenturm in das 1.
Obergeschoß des Schlosses gelangten. Hier kamen wir in einen sehr großen
Vorraum, dessen Decke von zwei mächtigen Unterzügen, auf jeweils zwei
Säulen ruhend, getragen wird. Hölzerne, teilweise wappengeschmückte
Wandverkleidungen, Wandschränke und Podeste im Stil des 19. Jahrhunderts
zeugen von der einst reichen Ausstattung dieses Raumes, wahrscheinlich mit
Zinngeräten, Gemälden und anderer Kleinkunst. 1934 wurde die gesamte
wertvolle Ausstattung des Schlosses in einer drei Tage lang dauernden
Versteigerung im Stuttgarter Auktionshaus Hartmann unter den Hammer
gebracht. Der anschließende Rittersaal ist noch geräumiger. Hier gibt es
runde Säulen mit schönen Kapitellen. Diese, der schwere Mitteltragbalken
und die Decke sind mit Stuck verziert. Der große Saal ist durch die
heutige Einrichtung (Möbel, Teppiche) in mehrere Bereiche gegliedert. An
einer Wand hängen viele Familienbilder der heutigen Besitzer. Über einem
Portal befindet sich ein farbiges Doppelwappen Gemmingen – Nothaft. Rechts
davon über dem Kamin ein weiteres Doppelwappen; wohl das der Grafen von
Beroldingen und der Familie von Hügel.
|
Der Rittersaal in Schloß Hochberg
| Vom Rittersaal gingen wir über einige
Stufen abwärts in den Schloßgarten hinter der Kirche. Hier war es sehr
angenehm unter den schattigen Bäumen. An der Kirchenmauer gab es zwei
stark verwitterte Grabmale zu sehen, die Wappen teilweise noch zu erahnen.
Der eine Grabstein gehört der Enkelin Philipp Jacob Nothafts, nämlich
Ursula Esther von Gemmingen. Der zweite ist der ihres Sohns Karl Ludwig
von Gemmingen. Die Inschriften sind heute nicht mehr zu lesen, wurden aber
früher von Pfarrer Stocker abgeschrieben und den Text kann man in der
Exkursionsunterlage nachlesen. 1876 hatte Graf Clemens von Beroldingen
hier in Hochberg eingeheiratet. Seine Braut war Alexandrine von Hügel,
eine Nachkommin des württembergischen Außenministers Carl von Hügel, der
1841 Schloß Hochberg erworben hatte. Die Grafen von Beroldingen waren die
letzten adeligen Besitzer Hochbergs. Graf Egon von Beroldingen verkaufte
1936 das ganze Areal an Frau Berta Ortlieb aus Obertürkheim, die hier mit
ihrem Mann Karl eine Hühnerfarm einrichtete. Die Hühnerfarm ist
verschwunden, aber die Nachkommen der Familie Ortlieb sind heute noch im
Besitz von Schloß Hochberg. Der Zustand des Schlosses ist
renovierungs-bedürftig, doch sind zur Zeit nicht die nötigen Mittel für
ein so großartiges Vorhaben vorhanden. Schön wäre es, so einen Goldesel,
wie aus dem Märchen "Tischlein deck dich" zur Hand zu haben. Wir wünschen
jedenfalls dem uns liebgewordenen Schloß Hochberg eine gute und baldige
Lösung zu seiner Erhaltung. Wir dankten Frau Kosa für die tiefen
Einblicke, die sie uns in das Schloß Hochberg gewährt hatte und begaben
uns zum Mittagessen, welches schon im nahegelegenen Gasthof "Gengenbachs
Adler" bestellt war. Anschließend fuhren wir zum naheglegenen Schloß
Neckarrems, das jedoch gar nicht so leicht zu finden war. Wir liefen dann
noch ein gutes Stück bis zum Schloß, standen jedoch bald vor einem
verschlossenen schmiedeeisernen Tor und konnten die Umrisse des Schlosses
durch die Bäume nur von weitem und teiweise erkennen. Die Besitzer sollen
sehr selten hier sein und unser Vortrupp hatte auch keinen Kontakt zu
ihnen herstellen können. Die Burg Rems oder Neckarrems, von der sich im
Schloßgarten noch einige Mauer- und Grabenreste befinden sollen, zählt zu
den ältesten Besitzungen der Grafen von Württemberg in dieser Gegend. Die
Schwäbischen Nothafte sollen hier als Ministerialen Dienst getan und sich
deshalb auch "Nothaft von Rems" genannt haben. Nach einer Zerstörung im
14. Jahrhundert hat Hans Nothaft von Hohenberg die Burg 1437 wieder
aufbauen lassen; schon 1576 wurde diese jedoch bis auf einen Turm wieder
abgebrochen. Dieser rund 18 Meter hoch gewesene Turm stürzte 1792 ein, so
daß von der Burg nur noch spärliche Reste übrig geblieben sind. Leider war
es uns nicht
|
Schloß Hochdorf
| vergönnt, diese näher zu untersuchen;
unser Busfahrer kam uns rückwärts fast bis zum Schloss entgegen und wir
setzten die Fahrt fort zum letzten Ziel unserer Exkursion, dem Schloß und
der Kirche in Hochdorf. Wir parkten auf dem Platz zwischen Schloß und
Kirche und wandten uns zuerst dem Hochdorfer Schloß zu, welches wir
allerdings nur von außen besichtigen konnten. Heute ist dort die
Gemeindeverwaltung untergebracht. Das Gebäude befindet sich in vorbildlich
gutem Zustand und liegt in exponierter Lage beherrschend über dem Ort, nur
die Kirche und einige wenige Häuser liegen noch oberhalb des Schlosses.
Anschließend galt unsere letzte Besichtigung der benachbarten Kirche St.
Wendelin. Für uns interessant war der Grabstein der Mechthild von
Bernhausen, die 1511 verstorben ist. Sie war die Tochter des Georg Nothaft
von Hochberg, der 1513 seinem Schwiegersohn Jakob von Bernhausen den
Hochberger Besitz verkaufte. Als wir uns zum Gehen wandten, kam die
Organistin und wollte uns eine Kirchenführung anbieten. Das war durch
unser verfrühtes Kommen nun nicht mehr nötig und so führten wir mit der
guten Frau noch ein schönes Gespräch. Damit war unser gemeinsames
Programm zu aller Zufriedenheit beendet und der Bus fuhr zunächst nach
Hochberg, wo die Habers sowie Harald Stark und Norbert Sack verabschiedet
wurden. Die anderen wurden dann zum Stuttgarter Hauptbahnhof gebracht und
begaben sich von dort auf die weitere Heimreise.
Norbert Sack & Harald Stark, Juli 2002
| |